Mallorca Today

Mallorca im Frühling während der Mandelblüte

Mandelbaum

Im Oktober wanderten wir mit Andreu an einem Acker mit Mandelbäumen vorbei. "Sieht eher aus, als hätte hier ein Wandbrand gewütet", flüstert mir meine Frau ins Ohr. Wir können kaum glauben, dass diese schrumpeligen, leblos und vertrocknet wirkenden Bäume zarte rosafarbene Blüten hervorbringen. "Als ob die Natur selbst ein Märchen vom Frühling geschrieben hätte", schwärmt unser mallorquinischer Freund Andreu von der Mandelblüte auf Mallorca. "Kommt im nächsten Januar und lasst euch verzaubern!"

Drei Monate später sitzen wir wieder im Flieger. Es ist Mitte Januar, und wir sind Andreus Einladung zur Mandelblüte gefolgt. Endlich beginnt der Landeanflug. Wie typische Touristen drücken auch wir unsere Nasen an die kleine Fenster-Luke, als um uns herum begeisterte Ahhs und Ohhs ertönen. Wahnsinn: Bei unserem letzten Flug im Herbst sah die Insel von oben doch aus wie ein Patchwork in Tarnfarben. Und jetzt: Als hätte die Natur einen hauchzarten Teppich aus weißen und rosafarbenen Blüten geknüpft! Am liebsten würden wir uns schwerelos wie eine Feder darauf fallen lassen.

Der Nebensaison sei Dank müssen wir weder auf unser Gepäck noch auf unseren Mietwagen lange warten. Mandelblüte, wir kommen! Andreu hat uns ein schönes Landhotel im Südosten empfohlen, der wärmsten Region Mallorcas. Hier beginnt erfahrungsgemäß der mallorquinische Frühlings-Zauber. Wann genau, hängt von der Witterung ab. In sehr warmen Wintern wurden die ersten Blüten schon im Dezember gesichtet. In kalten Wintern brechen die ersten Knospen jedoch nicht vor Mitte Januar auf. Etwa einen Monat gedeihen die Märchenwälder in zartem Rosa.

Auf der Fahrt vom Flughafen zu unserem Hotel bei Cas Concos sehen wir schon einige Wiesen und Äcker mit blühenden Almendros, wie die Bäume auf Spanisch heißen. Leider können wir an der Strecke nicht halten. Hinter Campos wird die Landschaft dann mit jedem Kilometer paradiesischer: als hätte jemand duftiges Blüten-Konfetti darüber gestreut. Als wir unser idyllisches Finca-Hotel erreichen, staunen wir nicht schlecht: Wie ein riesiger Blumenstrauß erhebt sich ein zart rosa blühender Mandelbaum auf der Garten-Wiese. Begierig schnuppern wir an den fast unwirklich schönen Blüten: Sie verströmen einen betörenden leicht süßlichen Duft.

Nach dem Check-in bleibt uns noch ein Stündchen Zeit, bis uns Andreu zur Wanderung abholen will. Auf der sonnigen Terrasse unseres Finca-Hotels ist es so warm, dass wir das hausgemachte Pa amb Oli (mallorquinische Brotzeit) und einen frischgepressten Orangensaft open air genießen können. Beim Café con leche sehen wir schon Andreus kleinen roten Ford Ka heranrollen. Das Wetter könnte für unsere Wanderung nicht besser sein: 20 Grad und ein strahlend blauer Himmel. "Habe ich euch im Herbst zu viel versprochen?", begrüßt uns Andreu. "Kommt, unsere Wanderung beginnt direkt hier auf dem Finca-Areal".

Wir gehen einen schmalen Weg hinunter, der in die Gärten hinter unserer Finca führt. Dort spazieren wir mitten über einen Acker mit blühenden Mandelbäumen. "Wusstet ihr, dass der Mandelbaum zur Familie der Rosaceae gehört? Auf deutsch: Rosengewächse", fragt Andreu. "Dann sollten wir uns einen mit nach Hause nehmen", lacht meine Gattin, ihres Zeichens begnadete Rosenzüchterin. "Versuchs mal, allerdings wird der Almendro euer Klima nicht besonders mögen", schmunzelt Andreu und fährt fort: "Wir unterscheiden zwischen der bitteren Mandel, lateinisch Prunus dulcis var. amara, und der süßen Mandel, lateinisch Prunus dulcis var. dulcis." - "Wo liegt denn der Unterschied zwischen den beiden Sorten?", will ich wissen.

"Beide Pflanzen kommen ursprünglich aus dem östlichen Mittelmeerraum. Sie ähneln einem Pfirsichbaum, auch ihre Früchte. Süße und bittere Mandeln werden im August und September geerntet. Der Kern muss geknackt und die braune Samenschale entfernt werden. Endlich nähern wir uns der Antwort auf deine Frage: Wenn du den Unterschied wissen willst, musst du nur reinbeißen. Während die Süßmandel von Konditoreien zum Beispiel für die Herstellung von Marzipan und zum Verfeinern genutzt wird, ist die Bittermandel ungenießbar. Sie enthält viel mehr Bitterstoffe - das sogenannte Amygdalin - als die Süßmandel. Amygdalin kann in menschlichen Zellen zu Blausäure umgewandelt werden." - "Heißt das, Bittermandeln sind giftig?", frage ich. "Ja, schon der Verzehr von nur sieben Bittermandeln kann tödlich sein." - "Für was werden denn Bittermandeln genutzt?" - "Hauptsächlich für die Produktion von Kosmetika und Arzneimitteln, natürlich in geringen Dosen."

Die nächsten Tage gleichen einem schönen Traum: Morgens kitzeln uns Sonnenstrahlen unter der Bettdecke hervor, aus unserem Zimmer-Fenster blicken wir in ein Tal mit blühenden Mandelbäumen, unser Langschläfer-Frühstück nehmen wir auf der Terrasse neben dem duftigen Mandelbaum im Garten ein, von mittags bis zum späten Nachmittag wandern oder radeln wir mit Andreu durch Mandelbaum-Plantagen und abends entspannen wir bei einem Glas Rotwein im Kamin-Zimmer des Finca-Hotels. Leider enden schöne Träume viel zu schnell.

Zum Abschied fragt uns Andreu: "Hat die Natur für Mallorca nicht ein wundervolles Frühlings-Märchen geschrieben?" - "Oh ja, seufze ich. Cinderella muss ihr als Vorlage gedient haben". Andreu sieht mich fragend an. "Nun ja, wenn ich mich erinnere, wie die Mandelbäume zu anderen Jahreszeiten aussehen...", raune ich ihm mit einem Augenzwinkern zu.

Infos zur Mandelblüte auf Mallorca
Mandelblüten-Wanderung